Al Qafila – Leo Africanus

Konzertbericht vom 07.09.2019,

Berlin-Neukölln, Werkstatt der Kulturen

‚Leo Africanus‘ mit dem Amaan Choir und weiteren Musikern aus 15 Ländern

Die Anspannung des Konzerts löst sich mit der Zugabe. Nachdem Rebal durch kurze Vokalsoli im Dialog mit einzelnen Instrumenten die Musiker betonte, erklang ein vielstimmiges ‚Lamuni‘. Das Publikum sang oder schwang mit. Es ist ein Stück jüdischer Araber und steht für mich beispielhaft für diesen so begeistert zu Ende gehenden, großartigen Konzertabend.

Aber ich greife bereits vor.

Diesem Abend in Berlin-Neukölln war die Bereitschaft zahlreicher Sängerinnen und Sänger aus Amaan und Dresden sowie vieler Instrumentalmusiker aus 15 Ländern vorausgegangen, sich dem Al Qafila-Projekt 2019 ‚Leo Africanus‘ von Rebal Alkhodari in seiner Vielschichtigkeit zu widmen.

Plakat Leo Aficanus

Rebal Alkhodari ist dem Neuen Chor Dresden seit dem Begegnungskonzert mit dem Amaan Choir vor 3 Jahren ein geschätzter Bekannter. Mit seiner vor einigen Jahren initiierten ‚Al Qafila‘-Reihe konzipiert er ‚Karawane‘-Konzerte, die Musiker aus verschiedenen Ländern thematisch vereinen.

Mit ‚Leo Africanus‘ wurde versucht, dem Leben und Wirken eines Reisenden zwischen Südspanien, Marokko, dem malischen sagenumwobenen Timbuktu sowie dem Vatikan nachzuspüren. Er war ein Weltenreisender zu Beginn der Reconquista in Spanien, Ende des 15. Jahrhunderts.

In dieser Weise vereint das Konzert Klänge aus Orient und Okzident.

Es wurden Intensivproben angesetzt. Für die Mitwirkenden aus Dresden hieß dies ein Probenwochenende mit Rebal Mitte August und eine Begegnungs- und Durchlaufprobe an einem Nachmittag in der Woche vor dem Konzert mit dem Chor aus Amaan. Einzelne Chormitglieder stritten noch um ihre Visa, die ihnen die Teilnahme erst ermöglichen sollten und waren somit noch gar nicht anwesend. Das Projekt verlangte ebenso eine hohe Bereitschaft zum Selbststudium und Wiederholen, zum Hineinfühlen in eine Welt voller fremdartiger Melodik und Sprachen.

Die Aufregung und Anspannung bei den Mitwirkenden war spürbar. Würde das Konzept aufgehen und das gemeinsame Konzert gelingen?

Dann kam der Tag des Konzertes in Berlin.

kleine Stärkung vor dem Konzert

Zunächst war viel Geduld und Abwarten gefragt. Nach kurzem Einsingen und nochmaligen Proben der Stücke folgte bald der Soundcheck. Der Chor sollte von Anbeginn mit dabei sein. Das hieß erstmal warten. Endlos erscheinendes Stimmen der Instrumente. Aber auch Lauschen auf fremdartige, teilweise nie zuvor erlebte Klänge des arabischen Raumes. Da waren arabische Oud, türkisches Zaz und türkische Zittern versammelt mit Viola da Gamba, Gitarre, Geige, Klarinette aus dem europäischen Raum. Flöten, Tablas und afrikanische Djembe bereicherten das vielschichtige Klangbild.

Soundcheck

Ein griechischer Videokünstler hatte zudem den Lebensweg von Leo Africanus farben- und formenreich mit Bildsequenzen illustriert. Eine Fülle aus Klang, Farben und Licht.

Nach einer langen Generalprobe und einem noch wackligen ‚Magnum Mysterium‘ von Giovanni Gabrieli eine letzte Pause vor dem Konzertbeginn.

Das Gabrieli-Stück soll wegen des ungenügenden Probenstandes in diesem Konzert wegfallen und ggf. später wieder aufgegriffen werden. Diskussionen mit Rebal folgen. Es war schließlich für unseren Chor das Schlüsselstück des Konzertes, repräsentiert es nicht zuletzt auch ein Stück europäischer, christlicher Musikgeschichte.

Schlussendlich werden wir das Stück in leicht gekürzter Fassung a cappella ohne die Bassbegleitung des österreichischen Gastmusikers Georg zur Aufführung bringen. Die Anspannung wuchs. Und dann?

Konzert

Mag es an den aufmunternden Blicken und Worten der Musiker an uns gelegen haben – zum Konzertbeginn ist die Konzentration nach so langem Tag nochmal auf dem Punkt. Mit jedem Stück werden wir sicherer. Entgegen einem uns gewohnten Konzertverlauf ist hier so Manches anders.

Auch in den Pausen zwischen den Stücken verklingen die Instrumente nie ganz – eine Geige hier, eine Flöte da hält das Klangbild zart aufrecht und sorgt so für einen fortlaufenden Faden. Überhaupt entstehen so gerade in den Solopassagen beeindruckend meditative Klänge. Einzelsoli von Musikern werden mit Szenenapplaus bedacht – eine hier übliche und erfrischende Praxis.

Göksel Baktagir, ein bescheiden wirkender  Altmeister an der türkischen Zitter, spielt sein Instrument sehr virtuos. In der Konzertpause sieht man ihn locker im Treppenhaus sitzen und wie zufällig mit einem Oudspieler improvisieren. Eine Atmosphäre von Respekt und unaufgeregter Natürlichkeit.

Nach dem Konzert folgt noch ein ausgelassenes Feiern im Backstage-Raum mit allen Mitwirkenden. Und Gesang. Musik und Klänge frei weg aus dem Herzen. Das hat sich übertragen und sollte noch lange in uns nachklingen.

glückliche Musiker

Bericht von Lutz (Bass)
Bilder von Chormitgliedern